Leben nach Microsoft
Regie: Corinna Belz, Regina Schilling
DokuFilmKino
zero one film in Koproduktion mit ZDF, ARTE (D/F).
Weltpremiere: 06.11.2001, 25. Duisburger Filmwoche
Inhalt
Heute wird in fast allen Büros der Welt mit Produkten von Microsoft gearbeitet, und auch fast jeder Besitzer eines Heim-PCs verwenden Bill Gates‘ Betriebssystem WINDOWS. Seine Programme WORD, EXCEL, OUTLOOK sind als Arbeitsinstrumente so verbreitet wie Bleistifte und Radiergummis.
Bei Microsoft in Seattle schuften 30.000 Angestellte bis zu achtzig Stunden in der Woche für den reichsten Mann der Welt. Bill Gates war der erste, der junge Leute direkt von der Uni auf den Firmen-Campus holte und frühkapitalistische Prinzipien mit einer neuen Lebensart verband: arbeiten auf dem Campus mit Sportplätzen, freien Getränken, legerer Kleidung, Beschwörung des Teamgeistes.
Doch viele Microsofties haben mittlerweile die Nase voll. Sie sind ausgestiegen aus einem in der Realität knochenharten Job, der mit ungeheurem Leistungsdruck und erbarmungsloser Konkurrenz auch innerhalb der Firma verbunden ist. Die Aktienoptionen, mit denen ihr heroischer Einsatz belohnt wurde, machten manche von ihnen zu Millionären.
Sieben Entwickler der Programme Windows, Word und Excel erzählen von der Zeit, als eine Zeile Code ihr Lebensinhalt war, und von ihrem Ringen um eine neue, von Microsoft unabhängige Existenz. Der Mythos Microsoft wirft einen langen Schatten, er fällt auf das Leben der Ex-Microsofties.
Wie auf das von Walt, der allein und melancholisch in seiner viel zu großen Villa sitzt, und sich an den gnadenlosen Kampf mit den Deadlines für die Fertigstellung der neuen Programme erinnert, bis sein Kopf „zu Gemüse wurde“. Trotzdem würde er jederzeit wieder programmieren wollen, wenn er nur könnte und dürfte.
Es scheint, als wären die Ex-Microsofties, die früher Computer programmiert haben, durch ihre Arbeit unter einer aggressiven Firmenideologie selbst so stark und nachhaltig programmiert worden, dass kaum mehr Platz für eine eigene Identität bleibt.
Mit diesem Film über Microsoft-Aussteiger werfen die Autorinnen Corinna Belz und Regina Schilling einen kritischen, ernüchternden Blick auf das Gates-Imperium und auf Arbeitsstrukturen, die die Strukturen des 21. Jahrhunderts sein werden, die in ihrer unbedingten Verpflichtung der Mitarbeiter gegenüber ihrer Firma frühkapitalistische Züge tragen.
Die in Europa durch Gewerkschaften hart erkämpften Arbeitnehmerrechte wie Arbeitszeitbegrenzung, Kündigungsschutz etc. scheinen durch die Organisation der Arbeit in der IT-Branche in Frage gestellt oder sich bereits aufzulösen. In Deutschland bilden diese Entwicklungen täglich Anlass für gesellschaftliche Diskussionen um den Stellenwert der Arbeit und die ökonomische Durchdringung des Lebens.
Der Blick auf die Ex-Microsofties kann dabei wie ein Blick in die eigene Zukunft der deutschen New Economy sein, er zeigt bereits Gegenwart und Vergangenheit einer amerikanischen Vorgänger-Generation auf.
Credits
Kamera: Wolfgang Lehner & Ralf Klingelhöfer
Schnitt: Christoph Tetzner