Kulenkampffs Schuhe
Regie: Regina Schilling
DokuFilmTV
Im Auftrag von SWR.
TV-Erstausstrahlung: 08.08.2018, ARD
Inhalt
Martin Wolf, Der Spiegel:
„Kulenkampffs Schuhe“ legt eine ganze Generation auf die Couch und ihre Nachkommen gleich mit.
Claudia Tieschky SZ, 08.08.2018:
Schilling zeigt mit ihrer atemberaubend montierten Doku, wie Deutschland im Fernsehen die Traumata der Vergangenheit überwand - und zu einem "Wir" wurde. Entstanden ist ein faszinierender Film über das Fernsehen und eine Nation, die darin ganz zu sich kam.
Nikolaus Festenberg, Tagesspiegel:
„Kulenkampffs Schuhe“ glänzt, wenn der Film unter die Oberfläche der Shows taucht und die Verdrängung der Spaßmacher aufdeckt. Vor allem aber, er richtet nicht. Er beobachtet.
Bert Rebhandl, Cargo:
Das sind Lektionen des Kinos, Lektionen, die mit Resnais beginnen, und die nun zu einem großartigen Film über einen Zusammenhang geführt haben, über den Deutschland nie hinweggekommen ist: Papas Fernsehen.
Das Fernsehen in den 60ern und 70er Jahren der Bundesrepublik – goldene Zeiten, Einschaltquoten von 80 Prozent. Die Familie saß am Samstag abend im Wohnzimmer, die Kinder frisch gebadet im Schlafanzug auf dem Wohnzimmerteppich, dahinter die Eltern, nicht weniger erwartungsvoll, und freute sich auf „Einer wird gewinnen“ mit Hans-Joachim Kulenkampff und die „Peter-Alexander-Show“.
Hans Joachim Kulenkampff und Peter Alexander waren die großen Fernseh-Helden der Familie von Regisseurin Regina Schilling (Jg. 1962). Und natürlich etwas später - Hans Rosenthal und „Dalli Dalli“. Die Quizshows verhießen leichte Unterhaltung, Entspannung, heile Welt. Entspannung hatte Schillings Vater (geb. 1925) dringend nötig. Er arbeitete rund um die Uhr in seiner eigenen Drogerie. Eine Drogerie im Nachkriegs-Deutschland? Besser ging’s nicht: aufräumen, saubermachen, Schädlinge bekämpfen, Wunden heilen.
Was sahen die Väter der Kinder, die da im Schlafanzug vor dem Fernseher saßen, in den Showmastern? Wussten sie, dass Kulenkampff (Jg.1921), sich an der Ostfront vier Zehen eigenhändig amputiert hatte? Fragten sie sich, ob Peter Alexander (Jg. 1926) wohl auch bei der Hitlerjugend gewesen war ? Bei der Wehrmacht, in Kriegsgefangenschaft? Wie die meisten jungen Männer dieser Generation? Hatten sie davon gehört, dass Hans Rosenthal (Jg. 1925) jüdisch war und sich in den Kriegsjahren als Vollwaise in einer Berliner Laube versteckte und jeden Moment damit rechnen musste, deportiert zu werden? Die Showmaster gehörten wie Regina Schillings Vater einer sehr besonderen Generation an: nach einer Kindheit im Nationalsozialismus, von Kriegseinsatz oder Verfolgung emotional nachhaltig gezeichnet, wurden sie nach dem Kriegsende bruchlos eingespannt in das Hamsterrad des Wiederaufbaus, der von Traumatisierungen nichts wusste – oder nichts wissen wollte.
Schillings Essayfilm, der vollständig aus Archivmaterial besteht, zeigt Nachkriegsgeschichte auf überraschende, ungewöhnliche und berührende Art und Weise: Anhand von historischen Showausschnitten, Interviews, privatem Super-8-Material, Dokumenten und Fotos eröffnet sich eine neue Sicht auf das Unterhaltungsfernsehen der Bundesrepublik, das angetreten war, die Kriegstraumata einer ganzen Generation zu therapieren.
Awards
Deutscher Fernsehpreis 2019
Beste Dokumentation
Duisburger Filmwoche
3sat-Dokumentarfilmpreis
Grimme Award 2019
Information and Culture
German Academy for Television
Industry Award for Outstanding Achievements, Best Documentary
moving history 2019
Clio
Credits
Buch und Regie: Regina Schilling
Montage: Jamin Benazzouz
Schnittassistenz: Alfredo Castro
Dramaturgische Beratung: Jutta Doberstein
Sprecherin: Maria Schrader
Musik: Wolfgang Böhmer
Tonbearbeitung / Mischung: Kai Tebbel
Recherche: Albert Kamps
Archivrecherche: Moni Preischl, Elizabeth Harris
Rechteklärung: Conny Ziller
Grafik: Mieke Ulfig
Bildtechnik: Stefan Engelkamp
Herstellungsleitung: Tassilo Aschauer
Produzent: Thomas Kufus
Redaktion: Simone Reuter (SWR), Sabine Mieder (HR)